Infrastrukturfonds: Sturm auf dem europäischen Staatsanleihenmarkt

19.03.2025 Infrastrukturfonds: Sturm auf dem europischen Staatsanleihenmarkt Die europischen Finanzmrkte erlebten eine Schockwelle, nachdem sich die wahrscheinliche Koalition der nchsten deutschen Regierung darauf geeinigt hatte, die Steuerausgaben fr Verteidigung und Infrastruktur deutlich zu erhhen. Die deutschen 10-Jahres-Renditen sprangen nach der Ankndigung an einem einzigen Tag um 30 Basispunkte in die Hhe – der strkste Anstieg seit 1990 nach dem Fall der Berliner Mauer. Seit Jahren uern die Anleger Bedenken ber eine Begrenzung des deutschen Wirtschaftswachstums aufgrund der Schuldenbremse, die seit 2009 gilt, um zu verhindern, dass das Land ein strukturelles Defizit von mehr als 0,35 % des BIP aufweist. Deutschlands fiskalische Vorsicht galt lange Zeit als unvernderlich und war einer der Hauptfaktoren fr den unbestrittenen Safe-Haven-Status und das AAA-Rating des Landes. Die pltzliche Hinwendung der Regierung zu grerer fiskalischer Flexibilitt lste einen dramatischen Ausverkauf deutscher Staatsanleihen aus, der einen Dominoeffekt auf dem gesamten europischen Zinsmarkt auslste. Infolgedessen stiegen die Finanzierungskosten in den EU-Mitgliedstaaten um durchschnittlich 20 Basispunkte. Die tiefgreifendsten Auswirkungen waren im mittel- und langfristigen Segment der Renditekurve zu beobachten, was die Befrchtung einer verstrkten Emission von Schuldtiteln nicht nur durch Deutschland, sondern auch durch andere europische Lnder widerspiegelt, die ihre Verteidigungsausgaben erhhen knnten. Game-Changer in der deutschen Finanzpolitik Im Vorfeld des dramatischen Anstiegs der europischen Renditen hatten geopolitische Nachrichten bereits seit Wochen zu einer erhhten Marktvolatilitt beigetragen. Nach der aufsehenerregenden Rede von US-Vizeprsident Vance auf der Mnchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar reagierten die europischen Staats- und Regierungschefs mit ungewhnlicher Schnelligkeit, um neue Verteidigungszusagen zu machen und die europischen Bndnisse angesichts der geringeren militrischen Untersttzung durch die USA zu sichern. Diese Bemhungen verstrkten sich nach dem kontroversen Gesprch zwischen US-Prsident Donald Trump und dem ukrainischen Prsidenten Wolodymyr Zelenski am 28. Februar im Oval Office, das die zunehmende Divergenz zwischen den USA und der EU in Bezug auf die Sicherheit auf dem europischen Kontinent deutlich machte. Nur wenige Tage spter reagierte die Europische Kommission mit dem Vorschlag, den Mitgliedsstaaten 150 Milliarden Euro an Darlehen fr hhere Verteidigungsausgaben zu gewhren und gleichzeitig bis zu 650 Milliarden Euro an Sicherheitsausgaben in den nchsten vier Jahren von den Haushaltsvorschriften auszunehmen. Die bestehenden EU-Vorschriften begrenzen die Schuldenquote der Mitglieder auf 60 % des BIP und das Haushaltsdefizit auf 3 %. Deutschland, das sich traditionell gegen Vorschlge fr mehr fiskalische Flexibilitt gewehrt hat, scheint sich dem Vorhaben diesmal nicht zu widersetzen. Obwohl der Vorschlag der Europischen Kommission noch von den Staats- und Regierungschefs gebilligt werden muss und wahrscheinlich von einigen EU-Mitgliedern angefochten werden wird, fhrte die Ankndigung zu einem Anstieg der europischen Renditen, da eine Lockerung der Finanzpolitik erwartet wird und die Gefahr besteht, dass die EU-Organe in groem Umfang neue Anleihen ausgeben. Fast zeitgleich mit der Ankndigung der Europischen Kommission sprach die Bundesbank die Empfehlung aus, dass Deutschland durch eine Abweichung von seinen verfassungsmigen Verschuldungsgrenzen einen zustzlichen fiskalischen Spielraum von mehr als 200 Milliarden Euro fr Infrastruktur und militrische Zwecke schaffen sollte. Diese Entwicklungen setzten die deutsche Renditekurve bereits unter Aufwrtsdruck, doch dann, am Abend des 4. Mrz, berraschte eine wichtige politische Ankndigung den Markt. Der knftige Bundeskanzler Friedrich Merz stellte eine Vereinbarung mit den Fhrern der konservativen CDU/CSU und der sozialdemokratischen SPD vor, die darauf abzielt, die Haushaltsausgaben erheblich zu erhhen, einen Infrastrukturfonds in Hhe von 500 Millionen Euro einzurichten und die Verteidigungsausgaben, die ber 1 % des BIP liegen, von den Regeln fr die Schuldenbremse auszunehmen. Auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Gesetzentwurfs erklrte Merz, das Land msse in Zeiten neuer Bedrohungen fr Freiheit und Frieden in Europa alles tun, was ntig ist, wenn es um die Verteidigung geht. Die anschlieende Reaktion an den Aktienmrkten zeigte, dass die Anleger nicht damit gerechnet hatten, dass die Entscheidung der knftigen Koalitionspartner so schnell und in dieser Tragweite kommen wrde. Risikobewertung durch die EZB Inmitten des Sturms auf dem europischen Staatsanleihenmarkt und einer anhaltenden Flut geopolitischer Nachrichten hielt die EZB am 6. Mrz ihre geldpolitische Sitzung ab. Der EZB-Rat senkte die drei Leitzinsen um 25 Basispunkte und brachte den Einlagensatz auf 2,5 %. Der EZB-Rat fhrte an, dass der Desinflationsprozess auf gutem Wege sei, whrend die Wirtschaft mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sei. Die aktualisierten Projektionen der EZB fr die Gesamtinflation blieben im Groen und Ganzen unverndert, abgesehen von einer leichten Aufwrtskorrektur fr dieses Jahr: 2,3% im Jahr 2025 (gegenber 2,1% zuvor), 1,9% im Jahr 2026 und 2,0% im Jahr 2027 (gegenber 2,1%). Gleichzeitig zeigten die neuen Projektionen ein schwcheres BIP-Wachstum: 0,9% im Jahr 2025 (gegenber 1,1% zuvor), 1,2% im Jahr 2026 (gegenber 1,4%) und 1,3% im Jahr 2027. Die Abwrtskorrekturen fr 2025 und 2026 wurden auf geringere Exportvolumina, schwache Investitionen und eine hohe handelspolitische Unsicherheit zurckgefhrt. Die Einschtzung der Wachstumsrisiken durch die EZB ist weiterhin eher negativ. Auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Bekanntgabe der Geldpolitik wurde Prsidentin Lagarde mehrfach zu den angekndigten fiskalischen Vernderungen in der Eurozone befragt. Sie rumte ein, dass die Plne der Europischen Union und der nchsten deutschen Koalition insgesamt positiv fr das Wirtschaftswachstum in Europa sein wrden, da sie die Gesamtnachfrage erhhen wrden. Sie machte jedoch deutlich, dass es noch zu frh sei, um die Auswirkungen auf das BIP oder die Inflation richtig einzuschtzen, da das endgltige Ergebnis weitgehend von Details abhngen werde, z. B. davon, wo die Verteidigungsausgaben gettigt werden und wie die Zeitplne fr diese Ausgaben aussehen. Sie betonte auch, dass die Rolle der EZB darin besteht, ihr Inflationsmandat zu erfllen, was bedeutet, dass sie keine Rolle bei den Finanzierungsbemhungen spielt, und wies die Vorstellung zurck, dass die Geldpolitik kurzfristig durch politische Entwicklungen beeinflusst werden kann. Ausblick auf die Renditen bleibt konstruktiv Nach den Ankndigungen der fiskalischen Bazooka passten die Mrkte ihre Erwartungen an und rechnen nun nur noch mit zwei weiteren Zinssenkungen der EZB in diesem Jahr, whrend sie Anfang Mrz noch mit drei Zinssenkungen gerechnet hatten. Nach der EZB-Sitzung beendeten die deutschen Benchmark-Renditen fr 2- und 10-jhrige Anleihen den Tag auf einem hohen Niveau von 2,2 % bzw. 2,8 %. Wir sind der Ansicht, dass die Kombination aus den aktuellen Bewertungen und den schwachen fundamentalen Aussichten fr das kommende Jahr die Anleiheninvestitionen immer noch attraktiv macht, sowohl am kurzen Ende der Renditekurve als auch bei den Laufzeiten bis zu 10 Jahren. Angesichts der geld- und fiskalpolitischen Erwartungen sehen wir weiteren Spielraum fr eine Versteilerung der Renditekurve und halten daher an einer Untergewichtung des langen Endes der Kurve fest. Langfristig deutet der potenzielle Anstieg der Verschuldung in den groen Volkswirtschaften darauf hin, dass die knftigen Finanzierungskosten hher ausfallen knnten als ursprnglich angenommen. Wir bentigen jedoch noch weitere Details zu den endgltigen Vorschlgen der EU und der neuen deutschen Koalition, um deren Auswirkungen auf das BIP, die Inflation und die Schuldentragfhigkeit vollstndig beurteilen zu knnen. Derzeit ist noch nicht klar, ob die angekndigten Plne zur Umsetzung freigegeben werden und ber welche Kanle die politischen Versprechen in reale politische Manahmen umgesetzt werden. Kurzfristig ist nicht zu erwarten, dass das Wirtschaftswachstum von zustzlichen Ausgaben profitieren wird, da Unsicherheiten – wie politische Vernderungen und der globale Zollkrieg – weiterhin auf die Stimmung in der Wirtschaft und das Vertrauen der Verbraucher drcken. Daher halten wir es fr verfrht, unseren Ausblick fr die europischen Renditen anzupassen, da der drohende Gegenwind fr das Wirtschaftswachstum die Renditen im Laufe des Jahres wahrscheinlich nach unten treiben wird. zurck

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